Gute Zusammenarbeit: Trump und die Medien
Es ist nun bald ein halbes Jahr her, dass Donald Trump wieder das Weiße Haus übernommen hat und wir verfolgen teilweise fassungslos in den Medien seine täglichen Äußerungen, Ankündigungen und Drohungen.

Liebe Freundinnen und Freunde des FIfF, liebe Mitglieder,
es ist nun bald ein halbes Jahr her, dass Donald Trump wieder das Weiße Haus übernommen hat – manchen erscheint es schon viel länger – und wir verfolgen teilweise fassungslos in den Medien seine täglichen Äußerungen, Ankündigungen und Drohungen. Häufig sind dies Ankündigungen, die nur wenig später bedeutungslos sind, wieder zurückgenommen werden, teilweise rechtswidrig sind, immer aber sofort zu großer Aufregung führen. Manchmal muss man bei einem anerkannten Nachrichtenportal wie Spiegel Online weit nach unten scrollen, um auf andere Nachrichten zu stoßen, die mindestens ebenso bedeutend sind. Es gibt ohne Zweifel genug davon: Regierungswechsel in Deutschland, andauernder Konflikt im Nahen Osten mit vielen zivilen Opfern, Krieg in der Ukraine, … Doch wichtiger scheint immer wieder die neueste Ankündigung von Donald Trump, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit am nächsten Tag revidiert. Aktuell sind es die Proteste in Los Angeles, die die US-Regierung, Berichten zufolge, anscheinend gezielt in die Eskalation treibt, einschließlich des Militäreinsatzes gegen die eigene Bevölkerung. Bei Erscheinen dieser Ausgabe der FIfF-Kommunikation wird es schon längst etwas ganz anderes sein.
„Flood the zone with shit“, so beschreibt der rechtsextreme Publizist Steve Bannon das Prinzip1. Doch ich habe zunehmend den Eindruck, dass auch die als seriös wahrgenommenen Medien einen erheblichen Anteil an der Entwicklung haben. Müssen sie jede Scheiße gleich unbesehen weiterpumpen? Aufgabe der Medien ist es, Informationen einzuordnen, zu bewerten, wirklich Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und manchmal Nachrichten eben auch nicht zu bringen. Stattdessen wird ebenso aufgeregt wie eilfertig jede neue (Nicht-) Nachricht zugespitzt, aufgebauscht und verbreitet.
Nur ein Beispiel: Während der Wahl des neuen Papstes veröffentlichte das Weiße Haus ein KI-generiertes Bild von Trump als Papst. Klar, superlustig, müssen wir sofort bringen. Dann folgt große Empörung! In einzelnen Medien2 wird sogleich ernsthaft die Frage diskutiert, ob Donald Trump wirklich Papst werden kann (Spoiler: Nein, kann er nicht). Und schon wieder haben wir unsere Nachrichtenseiten gefüllt, ohne uns mit unappetitlichen Fragen wie der rechtswidrigen Abschiebung von Migrant:innen oder der Zerstörung amerikanischer Universitäten und ihren realen Konsequenzen einmal ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Und wenn doch, werden die offiziellen Statements häufig unkritisch übernommen. Der offenbar gerade (bei Erscheinen dieses Textes noch immer?) in Ungnade gefallene Elon Musk hat(te) mit seinem sogenannten Department of Government Efficiency (DOGE) offensichtlich die Aufgabe, als „Einsparungen“ bemäntelt, die politischen Ziele der US-Regierung durchzusetzen. Das hindert Nachrichtenportale wie Spiegel Online nicht daran, DOGE immer noch naiv als „Kostensenkungstruppe“ zu bezeichnen.
Doch Trumps Kommunikationsstrategie scheint zu wirken. Schon vor dem Start der neuen Regierungskoalition, nachdem Trump gemeinsam mit seinem Vizepräsidenten Vance den ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus sehr undiplomatisch abgefertigt hatte, vermittelten Union und SPD den Eindruck, sie wollten als Rüstungskoalition in die bundesrepublikanische Geschichte eingehen. Eine eilige Verfassungsänderung schon vor der Übernahme der Regierungsverantwortung mit (wenn auch formal legalen) Verfahrenstricks zur Aufhebung jeglicher Begrenzung der Rüstungsausgaben, eine erneute Wehrpflichtdebatte und die Orientierung an der Forderung von US-Präsident Donald Trump, fünf Prozent des BIP – das entspricht ungefähr der Hälfte des Bundeshaushalts – für Verteidigung und Rüstung auszugeben, sind wesentliche Eckpunkte der Außen- und Sicherheitspolitik der ersten Wochen. Nachdem sich mehrere Bundesregierungen seit Jahren dagegen stellen, auch „nur“ die zuvor geforderten zwei Prozent des BIP (ca. 15-20 % des Bundeshaushalts) bereitzustellen, geht Trumps Strategie, sie mit seinen umgehend von den Medien verbreiteten Statements zu erpressen, offenbar binnen Stunden auf.
Dies wird dann zusätzlich medial flankiert durch die Drohkulisse, bis 2029 sei mit einem Angriff Russlands auf die NATO oder gar Deutschland zu rechnen, gegen den wir uns verteidigen müssen – eine Drohkulisse, die anscheinend wieder ebenso von vielen Medien, weitgehend ungeprüft, übernommen wird. Immerhin: In einem Beitrag der Wochenzeitung Die Zeit3 wird der aktuelle Kriegsalarmismus kritisch eingeordnet, indem selbst Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München und bekannt aus vielen Talk-Shows als Verfechter verstärkter Verteidigungsanstrengungen, zitiert wird: „[D]ie Zahl 2029 [wird] von Politikern strategisch genutzt. Sie müssen sagen, dass Russland 2029 einen Krieg führen könnte, um die Menschen auf höhere Verteidigungsmaßnahmen einzustimmen.“
Lassen sich Ausgaben für die Bundeswehr, um ihre Einsatzbereitschaft zu sichern, vielleicht noch begründen – ich persönlich ziehe weniger militaristische Lösungen vor, was aber in der Konsequenz sicherlich nicht zur Wehrlosigkeit führen darf –, macht der Trend zur Militarisierung der Gesellschaft4, wie sie im Koalitionsvertrag5 als Ziel gesetzt wird, erhebliche Sorgen: „Wir verankern unsere Bundeswehr noch stärker im öffentlichen Leben und setzen uns für die Stärkung der Rolle der Jugendoffiziere ein, die an den Schulen einen wichtigen Bildungsauftrag erfüllen.“ Offenbar sollen bereits unsere Kinder wieder zur „Kriegstüchtigkeit“ erzogen werden. Dann sind sie bereit für den „neuen attraktiven Wehrdienst“, der „zunächst“ auf Freiwilligkeit basieren soll. „Wertschätzung durch anspruchsvollen Dienst, verbunden mit Qualifikationsmöglichkeiten, werden die Bereitschaft zum Wehrdienst dauerhaft steigern“, so glauben die Koalitionäre. Aber für alle Fälle wird zwischen den Zeilen deutlich gemacht: „Wir können auch anders.“ Größer wird das Reservoir an verfügbaren Kapazitäten, indem der Anteil von Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte bei der Bundeswehr erhöht wird. Ein vergifteter Beitrag zur Abbildung der gesellschaftlichen Vielfalt beim Militär. Migranten sollen bitteschön erst einmal „dienen“, bevor sie hier bleiben dürfen – werden wir das demnächst dann von der AfD hören?
Und auch die an vielen Hochschulen geltenden Zivilklauseln, das heißt der Verzicht auf militärische Forschung, werden unter der christlich-sozialdemokratischen Koalition unter Druck6 geraten: „Wir setzen uns dafür ein, dass Hemmnisse, die beispielsweise Dual-Use-Forschung oder auch zivil-militärische Forschungskooperationen erschweren, abgebaut werden.“ Zudem soll der Weltraum verstärkt für das deutsche Militär erschlossen werden.
Auch im Inneren zeichnet sich eine „Zeitenwende“ ab. Sie beginnt für die Koalition mit einem alten Hut: erweiterten Überwachungsbefugnissen für die Sicherheitsbehörden. Als Erstes ist die seit 2010 in mehreren Varianten von höchsten deutschen und europäischen Gerichten immer wieder verworfene anlasslose Vorratsdatenspeicherung zu nennen, die nun reaktiviert werden soll. Ergänzt wird dies durch die Quellen-TKÜ, die kleine Schwester der Online-Durchsuchung und technisch kaum von dieser abzugrenzen. Dazu kommen automatisierte Datenrecherche und -analyse, biometrischer Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten unter Nutzung von KI-Verfahren und die automatisierte Aufzeichnung von Kraftfahrzeug-Kennzeichen, selbstredend unter „Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben“. Besonders fragwürdig sind Überlegungen, die Überwachungssoftware Palantir des US-amerikanischen Antidemokraten Peter Thiel einzusetzen und ihm damit Daten der deutschen Bevölkerung frei Haus zu liefern7. Wo ist eigentlich der Verfassungsschutz, wenn man ihn ausnahmsweise mal braucht?
Dass sich auch sonst die Bundesregierung vor allem auf repressive Maßnahmen – Bekämpfung, Verfolgung und Überwachung – für die Sicherheit vor Kriminalität und politischem Extremismus verständigen kann, ist sehr bedauerlich. Zweifellos müssen wir Feinde der Demokratie (mit demokratischen Mitteln) bekämpfen, vor allem sollte sie aber gestärkt, ihre Werte positiv vermittelt und die demokratische Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt gefördert werden. Nicht zuletzt schafft die Regierungskoalition mit ihren Plänen ein Instrumentarium, das rechtsextremistische Parteien, sollten sie einmal an die Macht kommen, begierig aufgreifen und letztlich gegen die dann noch bestehenden Reste der Demokratie wenden werden.
Die Militärpolitik der kommenden vier Jahre wird wohl durch massive Aufrüstung und eine Militarisierung der Gesellschaft, Wissenschaft und Erziehung gekennzeichnet sein. Ob dies den richtigen Weg weist zu dem einleitend im Kapitel des Vertrags zur Außen- und Verteidigungspolitik genannten Ziel – die „Bewahrung eines Friedens in Freiheit und Sicherheit“ – oder ob es ein Abstieg in eine neue Rüstungsspirale mit wachsender Kriegsgefahr wird, wird sich zeigen. Angesichts unserer historischen Erfahrungen ist wohl große Skepsis angebracht. Aber letztlich hängt unsere Existenz davon ab, dass die politischen Entscheidungen so getroffen werden, dass der Krieg in der Ukraine beendet und die Gefahr einer Ausweitung des Krieges in das Zentrum Europas abgewendet und nicht im Gegenteil noch provoziert wird. Vergleichbares gilt für die Innenpolitik, bei der echte Demokratie bewahrt und gegen Angriffe des Rechtsextremismus und gegen ein Abgleiten in einen Überwachungsstaat verteidigt werden muss.
Mit FIfFigen Grüßen
Stefan Hügel
Anmerkungen
1 Deutschlandfunk (2025) „Flood the zone“ – Warum Trumps Flut an Dekreten und Provokationen Methode hat, https://www.deutschlandfunk.de/flood-the-zone-warum-trumps-flut-an-dekreten-und-provokationen-methode-hat-100.html
2 n-tv (2025) Trump zum Konklave: „Ich würde gerne Papst werden“, https://www.n-tv.de/politik/Trump-zum-Konklave-Ich-wuerde-gerne- Papst-werden-article25736276.html
3 Joeres A, Kireev M (2025) Der Russe kommt. Vielleicht, in: Die Zeit Nr. 21, https://www.zeit.de/2025/21/carlo-masala-russland-angriff-europa-nato-aufruestung.
4 Zuckmayer C (1931) Der Hauptmann von Köpenick: Ein deutsches Märchen in drei Akten. Frankfurt am Main: Fischer
5 CDU, CSU, SPD (2025) Verantwortung für Deutschland, https://www.koalitionsvertrag2025.de
6 Obwohl wir in dieser Ausgabe der FIfF-Kommunikation einen Erfolg an der Kölner Hochschule für Medien (KHM) vermelden können (Seite 36).
7 Joswig G (2025) Dobrindt schließt Palantir-Nutzung nicht aus, taz.de, https://taz.de/Gruene-kritisieren-Ueberwachungssoftware/!6093377/