„Mach, was wirklich zählt!“

„Mach, was wirklich zählt!“

Liebe Freundinnen und Freunde des FIfF, liebe Mitglieder, 

vor wenigen Wochen gab es in kurzer Folge zwei Ereignisse, die die zunehmende Militarisierung unserer Gesellschaft deutlich machen: Das erste ist eine Entwicklung, die angesichts dieser Tendenz vielleicht nicht mehr besonders überrascht: Die vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) veröffentlichten Zahlen zeigen einen erneuten Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben [1]. Die weltweiten Militärausgaben seien im neunten Jahr in Folge gestiegen; nun auf 2.443.000.000.000 Dollar. Erstmals seit 2009 seien die Ausgaben in allen fünf geographischen Regionen angestiegen, besonders in Europa, Asien und Ozeanien und im Mittleren Osten. 

„The unprecedented rise in military spending is a direct response to the global deterioration in peace and security“, sagt Nan Tian, Senior Researcher in SIPRI’s Military Expenditure and Arms Production Programme. „States are prioritizing military strength but they risk an action– reaction spiral in the increasingly volatile geopolitical and security landscape.“ 

Zweifellos spielen die Kriege in der Ukraine und in Gaza eine wichtige Rolle bei diesem Anstieg. Gleichzeitig steigen die Militärausgaben Chinas und in der Folge auch die ihrer Nachbarn. Die Ausgaben der USA sind mit 68 % immer noch mit Abstand die höchsten innerhalb der NATO, doch nach den Analysen von SIPRI hat sich der Anteil der europäischen Staaten erhöht. Insgesamt gaben NATO-Staaten demnach 1.341.000.000.000 Dollar für Rüstung aus aus, die USA davon 916.000.000.000 Dollar. SIPRI weist darauf hin, dass das 2 %-Ziel des Anteils der Rüstungsausgaben am BIP zunehmend als Untergrenze gesehen wird, nicht mehr als ein Ziel, das erreicht werden soll. 

„Staaten priorisieren militärische Stärke, riskieren jedoch eine Aktions-Reaktions-Spirale in der zunehmend volatilen geopolitischen und sicherheitspolitischen Landschaft“ – diesem Fazit von SIPRI ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Nur soviel: Welche großartigen Möglichkeiten würden sich mit einem Bruchteil dieser Summe für sozial- und friedenspolitische Initiativen ergeben?

Doch es geht ja nicht nur um Geld, die Gesellschaft muss auch erzogen werden. In derselben Woche, in der SIPRI diese besorgniserregenden Zahlen veröffentlichte, stand die Einführung eines Veteranentages auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestags [2]. Im Antrag heißt es: 

Ein nationaler Tag fr Veteraninnen und Veteranen kann einen angemessenen Rahmen fr die Anerkennung und den Dank fr ihre besonderen Leistungen sowie einen Ort des Austausches zwischen ihnen, ihren Angehörigen, Bundeswehr, Gesellschaft und Politik schaffen. 

Zweifellos haben Bundeswehrangehörige, die in sinnlose Kriege geschickt wurden, große persönliche Opfer gebracht. Die hier formulierte „Anerkennung“ und der „Dank“ für ihre besonderen Leistungen ist jedoch zynisch. Es drängt sich der Verdacht auf, dass auch dieser Veteranentag primär darauf abzielt, den Militärdienst (wieder) zu normalisieren und in der Mitte der Gesellschaft hoffähig zu machen. Dies steht in einer Linie mit Forderungen, junge Menschen wieder zum Militärdienst zu verpflichten, sie bereits in der Schule mit einem Fach Wehrkunde darauf vorzubereiten und die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius nach einer kriegstüchtigen Gesellschaft. Nur Die Linke hatte offenbar (mehrheitlich?) den Mut, sich bei der Beschlussfassung der allgemeinen Stimmung entgegenzustellen [3] – vielen Dank dafür. Das Plenarprotokoll verdeutlicht diese Stimmung: 

Langanhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD – Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [Die Linke] – Die Abgeordneten aller Fraktionen erheben sich und wenden sich in Richtung Tribüne [4]. 

Doch, zugegeben, der Beschluss des Deutschen Bundestags hat noch einen zweiten Teil. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Teil des Beschlusses nicht vergessen wird: 

Die Einführung eines Tages für Veteraninnen und Veteranen darf sich jedoch nicht ausschließlich in symbolischer Anerkennung erschöpfen, sondern soll verknüpft werden mit der nachhaltigen Verbesserung der Lage, vor allem der einsatzgeschädigten Veteraninnen und Veteranen und von deren Familien in Form von verbesserter Fürsorge und Versorgung. 

Manche Soldat:innen kommen mit schwersten Verletzungen oder schweren Traumatisierungen von ihren Einsätzen zurück. Einzelne kehren überhaupt nicht zurück. Wenn ein solcher Veteranentag – mit weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Opfer [5] des Krieges – das Bewusstsein für diese Opfer stärkt, statt mit Dschingderassabum das Militär zu feiern, wäre tatsächlich viel gewonnen. Noch besser wäre allerdings, wenn die Entscheidungsträger:innen sich bewusst machen, was sie den Soldat:innen mit Einsatzentscheidungen zumuten und für Ihr Abstimmungsverhalten daraus Konsequenzen ziehen. Vielleicht stärkt es aber auch das Bewusstsein bei den (jungen) Menschen, die eine Bundeswehrkarriere ins Auge fassen, welche Konsequenzen damit verbunden sind und sein können – als Gegengewicht zum #machwaswirklichzählt [6], das mit bunten youtube-Filmchen [7] eine Laufbahn beim Militär als großartiges Abenteuer verkaufen will. 

Mit FIfFigen Grüßen 

Stefan Hügel 

Anmerkungen 

1 SIPRI (2024) Global military spending surges amid war, rising tensions and insecurity, https://www.sipri.org/media/press-release/2024/ global-military-spending-surges-amid-war-rising-tensions-and-insecurity. Von dort stammen auch die nachfolgend zitierten Zahlen. 

2 Deutscher Bundestag (2024) Antrag der Fraktionen SPD, CDU/ CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: Fr eine umfassende Wertschtzung – Einen nationalen Veteranentag einfhren und die Versorgung von Veteranen und deren Familien verbessern. BT-Drs 20/11138, 23. April 2024 

3 Deutscher Bundestag (2024) 20. Wahlperiode, 166. Sitzung. Plenarprotokoll 20/166, 25. April 2024, 21310 B 

4 Deutscher Bundestag (2024) a. a. O., 21323 D 

5 Auch wenn es in diesem Text primär um Bundeswehrangehörige geht, dürfen wir die von ihnen „bekämpften“ Opfer auch nicht vergessen. 

6 https://www.machwaswirklichzaehlt.de/ 

7 https://www.youtube.com/watch?v=QYksxlIaS_A