Mensch – Gesellschaft – Umwelt ... und Informatik
Mensch, Gesellschaft, Umwelt – und Informatik: unter diesem Leitmotiv fassen wir in der aktuellen Ausgabe der FIfF-Kommunikation ein breites Spektrum von Beiträgen zusammen. Dabei spielen die klassischen Themen des FIfF eine wesentliche Rolle: Künstliche Intelligenz und deren Verknüpfungen mit dem Militär, Überwachung und Kontrolle, Cyberpeace.
Den Anfang macht Britta Schinzel über Software-Beton, falsche Voraussagen und intelligente Diskriminierung. Sie untersucht – so der Untertitel –, wie digitale Entscheidungs-Architekturen Menschen und Lebensräume einheitlich ordnen: „Indem die Systeme und Architekturen der Informatik nicht nur technische, sondern längst auch soziale und politische Steuerungen übernehmen, definieren sie zunehmend auch soziale Ordnungen, und das oft an demokratischen Diskursen und parlamentarischen Entscheidungen vorbei“, stellt sie in ihrem Beitrag fest. Und: „ Die Herausforderung digitaler Transformation besteht nicht nur in der verlässlichen Gestaltung und Sicherung der sozio-technischen Systeme, sondern vor allem darin, Menschen dazu zu befähigen, mit Technikunterstützung, aber auch ohne sie, sicher, gleichbehandelt und selbstbestimmt agieren zu können. “
Andreas Wieland setzt sich im Dialog zwischen „Silikonheini“ und „Kohlenstoffheini“ damit auseinander, welche Restriktionen dem Chatbot ChatGPT (anscheinend) auferlegt wurden, um seine Antworten in politisch korrekten Bahnen zu halten und Rassismus und Sexismus – wie es bei anderen Chatbots zu beobachten war – in den Antworten zu verhindern. Er thematisiert dabei auch die überraschende Schwäche der untersuchten Version, mit mathematischen Fragestellungen umzugehen oder Schach zu spielen.
„Raus aus der Falle der Teilnahmslosigkeit!“ fordert Maximilian Thomsen in seinem Beitrag und setzt auf digitalen Optimismus statt digitale Resignation. Darunter versteht er, Technologie zu gestalten ohne sich dabei einer unkritischen „Techno-Elite“ anzuschließen: „Ich glaube an eine Utopie, die auf erneuerbaren Energien und nachhaltigen Technologien beruht“, schreibt er im Fazit seines Beitrags.
In seinem Beitrag Unbemenschte Systeme bei der Bundeswehr fasst Christian Heck ein Hearing der Zeitschrift Behörden-Spiegel zu Unbemannten Systemen zusammen. Er schreibt in seinem Beitrag über erweiterte Realitäten, die sich beispielsweise im „Gläsernen Gefechtsfeld“ – so der Titel einer entsprechenden Studie der Bundeswehr – zeigen. Er differenziert zwischen IT-, Militär-, politischer und Alltagssprache und thematisiert die Auswirkungen auf die Kommunikation über militärische Sachverhalte. Und er geht auf die zunehmende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning für militärische Anwendungen ein.
Wolfgang Krieger setzt in seinem philosophischen Beitrag die Hegelsche Dialektik zum Problem der Formalisierung in Mathematik, Elektrodynamik, Systemtheorie und Künstlicher Intelligenz in Beziehung: „Die Hegelsche Dialektik, unter dem Eindruck der Aufklärung und der Vernunft als idealistische, das heißt die Wirklichkeit als Produkt des Geistes unterstellend, erfährt ihre Verwandlung in eine materialistische, den experimentell erforschten widersprüchlichen Verhältnissen der Natur „entwendeten“ Form. Gut 150 Jahre später löst die Initiative mehrerer bedeutender Unternehmen des digitalen Finanzkapitals die Entwicklung des Systems ChatGPT aus. Ein fast unendlich großes Budget, ein uneingeschränkter Marktzugang wie auch eine nahezu monopolartige Kontrolle über Milliarden digitaler Dialoge sichern den politischen wie wirtschaftlichen Erfolg. In ihm manifestiert sich die Funktion des lange gesuchten dynamischen Akteurs und Partners bedeutsamer KI-Technologien. Das Internationale Finanzkapital US-amerikanischer Herkunft verwirklicht sein eigenes Wesen als virtuelle Simulation einer künstlichen und von einer natürlichen nur schwer unterscheidbaren Intelligenz.“
Den Schwerpunkt schließt Hans-Jörg Kreowski mit einem Beitrag, der die militärische Seite der Digitalisierung thematisiert. Er zeichnet die militärische Digitalisierung von ihren Anfängen bei Konrad Zuse bis zum heutigen Informations- und Cyberkrieg nach. Dabei thematisiert er auch aktuelle Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz. Der Beitrag endet mit einem Hinweis auf die Cyberpeace-Kampagne des FIfF.
In diesen Tagen jähren sich die Enthüllungen von Edward Snowden zur weltweiten Überwachung der Kommunikation durch Geheimdienste zum zehnten Mal – und scheinen fast schon wieder vergessen. Obwohl auch parlamentarische Untersuchungen die Vorwürfe bestätigten, hat sich an der Situation nichts grundlegendes geändert – es scheint, als würden Politik und Behörden die Überwachung einfach fortsetzen oder eher noch verstärken. Auch die fortdauernden Debatten über die Vorratsdatenspeicherung und – in jüngerer Zeit – die Chatkontrolle zeigen, dass der Wille von politisch Verantwortlichen und den ihnen unterstehenden Behörden zu umfassender Kontrolle ungebrochen ist. Constanze Kurz setzt sich in ihrem Kommentar, den wir von Netzpolitik. org übernehmen, mit Edward Snowden und den Folgen auseinander.