Offener Brief an Claudia Plattner (BSI): Digitale Souveränität für Deutschland und Europa ist möglich!
PM: Den Ausbau von freien Open-Source-Alternativen zur Priorität machen!

Gemeinsame Pressemitteilung vom 26.8.2025 – Den Ausbau von freien Open-Source-Alternativen zur Priorität machen
Nachdem BSI-Präsidentin Claudia Plattner am 12. August 2025 der dpa gegenüber äußerte, dass digitale Souveränität in Deutschland vorerst unerreichbar sei, antwortet die Open Source Business Alliance gemeinsam mit 59 Mitunterzeichnern in einem offenen Brief und widerspricht klar dem Statement von Claudia Plattner.
Update vom 26.8.2025, 13:22 Uhr
Claudia Plattner hat auf unseren Brief geantwortet und darauf hingewiesen, dass sie in den Presseberichten nicht korrekt wiedergegeben wurde. Sie erklärt außerdem, dass ihr die Stärkung von digitaler Souveränität und Open Source Software ein wichtiges Anliegen ist. Sie hat der OSBA ein Angebot zum konstruktiven Austausch angeboten, das wir angenommen haben. Claudia Plattner hat ihre Antwort an uns auch auf LinkedIn veröffentlicht.
Den Initiatoren des offenen Briefes ist es wichtig, deutlich zu machen: sog. Digitale Souveränität für Deutschland und Europa ist möglich, wir müssen sie nur wollen und beherzt vorantreiben. Dafür müssen wir jetzt strategisch in den Aufbau von freien und offenen Software-Alternativen investieren und den Ausbau zur Priorität machen.
Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance (OSBA) – Bundesverband digitale Souveränität e.V.:
„Die strategischen Entscheidungen von heute bestimmen, ob wir in fünf Jahren weiter hinter amerikanischen oder chinesischen Tech-Giganten zurück liegen, oder ob wir aufgeholt und signifikante Teile unserer digitalen Infrastruktur unabhängiger und resilienter gemacht haben. In zentralen Bereichen existieren bereits heute leistungsfähige und erprobte Open-Source-Lösungen.
Claudia Plattner müsste als Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik eine der stärksten Befürworterinnen von Open Source Software sein und sich für den Ausbau von digital souveränen Alternativen aussprechen, statt mit ihren pauschalen Aussagen Verunsicherung in Politik und Wirtschaft zu säen.
Die öffentliche Hand hat durch ihre Beschaffungspolitik eine wichtige Hebelwirkung für den Aufbau digitaler Souveränität. Deshalb ist es wichtig, dass insbesondere von der Bundesebene die Chancen und Möglichkeiten von offenen Alternativen genutzt werden: Mit Open Source Software bauen wir digitale Infrastruktur auf, die wir selbst gestalten und kontrollieren können, ohne die Abhängigkeiten von US-amerikanischen Unternehmen zu verfestigen. Und gleichzeitig stärkt dieser Kurs auch unsere Wirtschafts- und Innovationskraft.”
Zu den 60 Unterzeichnern des offenen Briefes gehören 10 Verbände aus Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft sowie 50 Open-Source-Unternehmen, Hochschulen, Professoren und Einzelpersonen. Mit Dirk Schrödter, dem Minister für Digitalisierung und Medienpolitik aus Schleswig-Holstein ist auch ein prominenter Politiker unter den Mitunterzeichnern.
Hier ist der offene Brief im Volltext:
Berlin, 25.08.2025
Frau Claudia Plattner
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI
Godesberger Allee 87
53175 Bonn
Digitale Souveränität für Deutschland und Europa ist möglich!
Sehr geehrte Frau Plattner,
wir nehmen Bezug auf Ihre Aussagen gegenüber der dpa, die in vielen Medien veröffentlicht wurden. Ihre Beschreibung des Ist-Zustands ist in Teilen korrekt: Deutschland ist in zentralen Feldern von US-Anbietern abhängig und kurzfristig ist selbstverständlich mehr Kontrolle und Risikobegrenzung notwendig. Aber: Digitale Souveränität ist erreichbar und die Voraussetzung für unsere Sicherheit, wirtschaftliche Stärke und die eigenständige Gestaltung unserer Zukunft. Wenn wir uns ständig allein mit Schadensbegrenzung abmühen, kommen wir aus der misslichen Lage der erdrückenden Abhängigkeiten nicht heraus.
Ihre Aussage, US-amerikanische Unternehmen seien in Bezug auf Investitionen „zehn Jahre voraus“, wiederholt in dieser Pauschalität ein Marketing-Narrativ, das häufig mit dem Ziel angewandt wird, Wirtschaft und Verwaltung vom Einkauf europäischer Lösungen abzuhalten. Dieses Argument wird politisch häufig als Begründung herangezogen, um dringend notwendige Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen zu vertagen. In Wirklichkeit könnten viele Abhängigkeiten kurzfristig abgebaut werden, wenn die Politik vorhandene Lösungen auch aus Europa gezielt in Ausschreibungen berücksichtigen und fördern würde.
Offene, funktionierende Alternativen und starke europäische Anbieter gibt es etwa in den Bereichen Cloud, Low-Code, Kommunikation und Kollaboration, BPM, KI und vielen mehr. Etliche dieser offenen Technologien sind bereits heute weit verbreitet und werden von hunderten Behörden sowie Unternehmen und anderen Organisationen weltweit erfolgreich eingesetzt. Sie reduzieren so Abhängigkeiten und behalten volle Kontrolle über Daten.
Was wir strategisch brauchen, sind gezielte Investitionen in Free and Open Source Software (FOSS) und eine Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, die Nachfrage nach offenen, europäischen Lösungen schafft. Nur so kann ein belastbares Ökosystem entstehen, das Abhängigkeiten tatsächlich reduziert, statt sie nur zu verwalten. Praxistaugliche Kriterien für eine solche Beschaffung liegen vor; als Unternehmen und Verbände der Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft bringen wir dazu seit Jahren konkrete Vorschläge ein.
Bundesminister Dr. Wildberger kündigte im Mai 2025 auf der re:publica öffentlich an, Free and Open Source und offene Standards zum Leitprinzip in der IT-Architektur des Bundes machen zu wollen. Und auch die Koalitionsvereinbarung spricht eine ähnliche Sprache. Das gelingt aber nur, wenn die öffentliche Hand konsequent auf Free and Open Source setzt. Damit wird die nachhaltige Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben und die eigenständige Innovationskraft von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und Europa gestärkt. Es wäre falsch, an dieser Stelle zu resignieren. Denn wir sind davon überzeugt: Digitale Souveränität für Deutschland ist möglich. Wir müssen sie nur wollen und beherzt vorantreiben.
Mit freundlichen Grüßen
die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner
Organisationen und Verbände
- Open Source Business Alliance e.V. (OSBA), Peter Ganten
- ALASCA – Verband für betriebsfähige, offene Cloud-Infrastrukturen e.V., Josephine Seifert
- APELL (Association Professionnelle Européenne du Logiciel Libre) ASBL, Sebastian Raible
- #cnetz – Verein für Netzpolitik e.V., Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow
- Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V., Rainer Rehak
- German Unix User Group (GUUG) e.V., Ingo Wichmann
- OpenInfra Europe, Thierry Carrez
- Open Knowledge Foundation Deutschland (OKF) e.V.
- Opensaar e. V., Bernhard Mommenthal
- Rebalance Now e.V., Aline Blankertz
Unternehmen, Behörden, Hochschulen und Einzelpersonen
- Dirk Schrödter, Minister für Digitalisierung und Medienpolitik in Schleswig-Holstein
- .riess applications gmbh, Lothar K. Becker (Geschäftsführender Gesellschafter)
- AGNITAS AG, Martin Aschoff (Vorstand)
- allotropia software GmbH, Thorsten Behrens (Managing Director)
- B1 Systems GmbH, Ralph Dehner (CEO)
- Cloud&Heat Technologies GmbH, Marius Feldmann (Leiter des operativen Geschäfts)
- Collabora Productivity, Michael Meeks (CEO)
- DAASI International, Peter Gietz (CEO)
- DISQU GmbH, Marcel Beyer (CTO)
- Duale Hochschule Baden-Württemberg CAS, Prof. Dr. Andreas Föhrenbach (Dekan)
- Technische Universität München (TUM), Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Krcmar (Professor für Wirtschaftsinformatik)
- EGroupware GmbH, Birgit Becker (Geschäftsführung)
- Element GmbH, Patrick Alberts (Geschäftsführer)
- GONICUS GmbH, Stefan Grote (Geschäftsführer)
- Heinlein Support, Peer Heinlein (Gründer & CEO)
- IKU GmbH & Co. KG, Andreas Niederländer (Geschäftsführer)
- inett GmbH, Marco Gabriel (CEO)
- inmedias.it GmbH, Carsten Brunke (Geschäftsführer)
- IT Works AG, Rudolf Strobl (Vorstand)
- KIX Service Software GmbH, Rico Barth (CEO)
- Kroker Legal, Maximilian Kroker (Rechtsanwalt und Informatiker)
- Linux Hotel, Ingo Wichmann (Geschäftsführer)
- LWsystems GmbH & Co. KG, Ansgar Licher (Geschäftsführender Gesellschafter)
- mailbox.org, Peer Heinlein (Gründer & CEO)
- Nextcloud GmbH, Frank Karlitschek (CEO)
- NMMN New Media Markets & Networks GmbH, Lars Sommerfeldt (Geschäftsführer)
- Open-Xchange, Andreas Gauger (CEO)
- OpenCloud, Peer Heinlein (Gründer & CEO)
- OpenProject GmbH, Niels Lindenthal (Geschäftsführer)
- OpenTalk, Peer Heinlein (Gründer & CEO)
- OSISM GmbH, Christian Berendt (Gründer und Geschäftsführer)
- otris systems GmbH, Daniel Rauer (Geschäftsführung)
- phamos GmbH, Wolfram Schmidt (Geschäftsführer)
- pretix GmbH Raphael Michel (Geschäftsführer)
- S7n Cloud Services GmbH, Kurt Garloff (CEO)
- SINC GmbH, Martin Rollinger (Geschäftsführer)
- Stackable GmbH Lars Francke (Geschäftsführer)
- Stadt Langenselbold, Marco Meid (Digitalisierungsbeauftragter)
- Thomas-Krenn.AG, Christoph Maier (CEO)
- TUXEDO Computers GmbH, Herbert Feiler (Geschäftsführer)
- Univention GmbH, Peter Ganten (Geschäftsführer)
- x-cellent technologies GmbH, Markus Fensterer (Geschäftsführer)
- X-Net GmbH, Nikolaus Dürk (CEO)
- Yorizon Gmbh & Co. KG, Gernot Hofstetter (Co-CEO)
- Prof. Dr. Harald Wehnes, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises „Digitale Souveränität“ der Gesellschaft für Informatik (GI)
- Prof. Dr. Julian Kunkel, Sprecher des Arbeitskreises „Open Source Software“ der Gesellschaft für Informatik (GI)
- Dr. Martin Weigele, Sprecher des Arbeitskreises „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Gesellschaft für Informatik (GI)
- Jutta Horstmann
- Marius Quabeck
- Lisa Reisch
Downloads
- Der offene Brief als PDF: https://osb-alliance.de/wp-content/uploads/2025/08/250825-Offener-Brief-Claudia-Plattner.pdf
Pressekontakt
- Rainer Rehak: rainer [dot] rehak [ät] fiff [dot] de
Über das FIfF
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Menschen, die sich kritisch mit Auswirkungen des Einsatzes der Informatik und Informationstechnik auf die Gesellschaft auseinandersetzen. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend in informatiknahen Berufen, vom IT-Systemelektroniker bis hin zur Professorin für Theoretische Informatik. Das FIfF wirkt in vielen technischen und nicht technischen Bereichen der Gesellschaft auf einen gesellschaftlich reflektierten Einsatz von informationstechnischen Systemen zum Wohle der Gesellschaft hin. Zu unseren Aufgaben zählen wir Öffentlichkeitsarbeit sowie Beratung und das Erarbeiten fachlicher Studien. Zudem gibt das FIfF vierteljährlich die „FIfF-Kommunikation – Zeitschrift für Informatik und Gesellschaft“ heraus und arbeitet mit anderen Friedens- sowie Bürgerrechtsorganisationen zusammen. Hier finden sich unsere 10 Werte.