Videoüberwachung am 1. Mai 2019 in Berlin-Grunewald: Berufung gegen Urteil des VG Berlin
Gemeinsame Pressemitteilung vom 20.9.2022 von QM-Grunewald und FIfF
Das Verwaltungsgericht Berlin und die Bundespolizei sind sich einig: 7.500 Demoteilnehmer:innen können mit schwenkbaren Zoomkameras auf dem Weg zur Versammlung abgefilmt und die Aufnahmen gespeichert werden. Das Quartiersmanagement Grunewald als Anmelderin der Versammlung hatte gegen die Viedoüberwachung im S-Bahnhof Grunewald 2019 geklagt und legt Berufung vor dem OVG Berlin-Bandenburg gegen das problematische Urteil ein.
„Das Urteil des VG Berlin bedeutet eine Schwächung des Versammlungsrecht gegen staatliche Eingriffe“, kommentiert Frauke Geldher, Sprecherin des Quartiersmanagement Grunewald. „Dies ist nicht hinnehmbar. Wir beantragen deswegen die Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.“
Offensichtlich vorgeschobene Gründe durch Bundespolizei
Die Polizei begründete die Videoüberwachung mit möglichen Gefahren durch eine Überfüllung des Bahnhof. „Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich eindeutig, dass die Sorge um einen zu vollen Bahnhof nicht der Grund für die Videoüberwachung war“, sagt Frauke Geldher. So sei zum Ziel der Videoüberwachung von „Beweissicherung“ die Rede gewesen; ferner fragte die Bundespolizei u.a. bei der Berliner Landespolizei an, ob Bedarf an den Aufzeichnungen bestünde – offensichtlich zur weiteren Speicherung und Auswertung. „Mit der akuten Abwehr von Gefahren durch einen überfüllten Bahnhof hat all dies nichts zu tun. Dass das Gericht dies nicht erkennen will, ist nicht nachvollziehbar“, so Geldher.
Videoüberwachung gleicht einer Anwesenheitsliste der Demonstration
Bereits 2020 hatte das Büro des Bundesdateschutzbeauftragten Ulrich Kelber problematisiert, dass seitens der Bundespolizei keine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattgefunden hatte. Hierzu erklärt Rainer Rehak als Ko-Vorsitz des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF): „Staatsorgane müssen verfassungsbedingt immer das mildeste Mittel für eine Aufgabe wählen. Um die proklamierten Ziele der Polizei zu erfüllen, hätten drei Beamt:innen mit Funkgeräten genügt. Mit der Entscheidung für eine digitale Videoüberwachung hat die Bundespolizei stattdessen nahezu alle Teilnehmenden bildtechnisch festgehalten. Sie hat somit quasi nebenbei eine technisch einfach auswertbare Anwesenheitsliste der gesamten Demonstration angefertigt. Das kann in einer freiheitlichen Demokratie nicht legal sein, darum befürworten wir die Berufung“. Zusammen mit vielen Einzelspender:innen unterstützt das FIfF die Klage.
Hintergrund
Am 1. Mai 2019 wurden fast alle Anreisenden zur Demonstration des Quartiersmanagement Grunewald im Berliner Problem-Villenviertel durch eigens installierte zoomfähige Kameras der Bundespolizei im dortigen S-Bahnhof erfasst - unmittelbar vor Ankunft am Auftaktort. Gegen diesen empfindlichen Eingriff in das Versammlungsrecht hatte das Quartiersmanagement Grunewald vor dem VG Berlin geklagt. Die Klage wurde jüngst von der 1. Kammer des VG Berlin abgewiesen.
Kontakt
- Frauke Geldher | QM Grunewald
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Presse-Telefon / Signal: 0175 5533000 - Rainer Rehak | Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF)
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Das Quartiersmanagement Grunwald
Das Quartiersmanagement Grunwald leistet wertvolle Sozialarbeit im Berliner Problemkiez Grunewald. Um Wohlstandsverwahrlosung und grassierender Wirtschaftskriminalität entgegenzuwirken, besucht des Quartiersmanagement regelmäßig das sozial abgehägte Villenviertel - am 1. Mai mit mehreren Tausend autonomen Streetworker:innen. Im Rahmen der aufsuchenden Sozialarbeit wird den Reichen vedeutlicht: Ihr seid Teil des Problems extremer Ungleichverteilung von Wohlstand - und ihr müsst Teil der Lösung werden. Denn wo eine Villa ist, ist auch ein Weg.
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF)
Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Menschen, die sich kritisch mit Auswirkungen des Einsatzes der Informatik und Informationstechnik auf die Gesellschaft auseinandersetzen. Unsere Mitglieder arbeiten überwiegend in informatiknahen Berufen, vom IT-Systemelektroniker bis hin zur Professorin für Theoretische Informatik. Das FIfF wirkt in vielen technischen und nichttechnischen Bereichen der Gesellschaft auf einen gesellschaftlich reflektierten Einsatz von informationstechnischen Systemen zum Wohle der Gesellschaft hin. Zu unseren Aufgaben zählen wir Öffentlichkeitsarbeit sowie Beratung und das Erarbeiten fachlicher Studien. Zudem gibt das FIfF vierteljährlich die „FifF-Kommunikation – Zeitschrift für Informatik und Gesellschaft“ heraus und arbeitet mit anderen Friedens- sowie Bürgerrechtsorganisationen zusammen. Hier finden sich unsere 10 Werte.